Wir kennen das: Zu viele, zu unstrukturierte und zu lange Meetings halten uns von der „eigentlichen Arbeit“ ab. Kollegen mit großem Ego reden zu viel, andere klinken sich gedanklich aus und sagen nichts, obwohl sie wichtige Hinweise hätten. Viele Meetings enden dann ohne konkrete Entscheidungen und man hat hinterher das Gefühl, nicht schlauer zu sein als vorher.
Sind Meetings also reine Zeitverschwendung? Nein! In den meisten Organisationen und Teams sind zunehmend komplexe Aufgaben in steigender Geschwindigkeit zu bearbeiten. Teams brauchen also Möglichkeiten, um rasch zu tragfähigen Entscheidungen zu gelangen. Alternativ könnte der Chef alles entscheiden, aber welche Führungskraft will und kann das schon heutzutage und welches Team würde das auf Dauer toll finden?
Besprechungen müssen aber zukünftig sehr viel kürzer und lösungsorientierter werden. Die folgenden vier agilen Besprechungs-Tools sind erprobte Möglichkeiten, um dies zu erreichen. Sie sollen nicht zusätzlich zu bestehenden Meetings durchgeführt werden, sondern diese ersetzen!
Was ist an diesen Tools „agil“? Sie fokussieren stark auf das aktuell Machbare und Notwendige im Gegensatz zu vermeintlich „perfekten“ Entscheidungen und Vereinbarungen die wir häufig suchen, aber nie wirklich finden (die beschriebenen endlosen Diskussionen). Agile Verfahren vertrauen der Intelligenz des Systems „Team“ und lassen Teams umsetzbare Lösungsmöglichkeiten finden, sobald neue Informationen dies erfordern.
Natürlich passt nicht jedes Tool zu jedem Team. Im Verständnis agiler Organisationen probiert jedes Team diejenigen Tools aus, welche erfolgversprechend scheinen und passt diese ggf. an seine Bedürfnisse an!
Viel Spaß beim gemeinsamen Ausprobieren!
Schnelle und zugleich tragfähige Entscheidungsfindung für operative Themen
Idee: Jedes Teammitglied kann Themen, deren Entscheidung für die eigene Arbeit wichtig oder dringend ist, einbringen und erhält ein Ergebnis, das es erlaubt sofort nach der Besprechung damit weiter zu arbeiten. Eingebaut ist ein Schutz vor Vielrednern oder sehr wortkargen Mitarbeitern, die vielleicht entscheidende Informationen für sich behalten.
Benötigt wird: ein Moderator, der das Verfahren stringent moderiert
Ablauf:
1. Ein Teammitglied hat ein operatives Problem, benennt dieses kurz und bringt einen konkreten Vorschlag für eine neue Vorgehensweise oder eine Veränderung vor.
2. Verständnisfragen der anderen Teammitglieder werden gestellt und kurz beantwortet.
3. Der Moderator fragt nun ab, wer einen berechtigten Einwand gegen den Vorschlag hat. Besteht kein Einwand, ist der Vorschlag angenommen!
4. Besteht ein berechtigter Einwand? Als berechtigt gelten Einwände nur dann, wenn sie Schaden verursachen oder später nicht revidierbar sind. Nicht berechtigt wären also z.B.: „Das haben wir schon mal probiert!“ oder „Das könnte eventuell der Geschäftsführung / dem Betriebsrat … nicht gefallen!“
5. Bei berechtigten Einwänden wird die Lösung umformuliert oder angepasst, so lange, bis niemand mehr einen berechtigten Einwand hat. Das kann im Meeting passieren oder der Vorschlagende und die Einwandbringer finden anschließend im kleineren Kreis eine Lösung.
Tragfähige Entscheidungsfindung für strategische Themen
Idee: Themen, welche für einen Bereich / ein Team von strategischer Bedeutung sind, werden durch einen (oder mehrere) vom Team gemeinsam ernannten „Entscheider“ recherchiert, mit Betroffenen besprochen und dann verbindlich für alle entschieden.
Benötigt werden: Ein oder mehr „Entscheider“, dies sind aus Sicht des Teams Personen, denen man aufgrund ihrer Expertise die Entscheidung zutraut. Das kann, muss aber nicht der Chef sein! Ein Team, das sich auf die getroffene Entscheidung oder zumindest auf einen Versuch der Umsetzung einlassen kann.
Ablauf:
1. Zu einem zu entscheidenden Thema wird gemeinsam entscheiden, wer diese am besten entscheiden kann = „Entscheider“.
2. Entscheider informiert sich, recherchiert, zieht Kollegen, Kunden und / oder andere betroffene Personen zu Rate.
3. Entscheider entscheidet das Thema nach reiflicher Überlegung. Diese Entscheidung kann auch mal lauten „Das Thema kann zurzeit nicht entscheiden werden.“
4. Entscheider stellt im Team seine Entscheidung vor und vertritt diese. Die Umsetzung erfolgt.
Laufend Transparenz über die Aufgaben und Gesamtlage im Team und im Bereich erlangen, um die eigene Arbeit ggf. darauf abzustimmen. Die Führungskraft erhält einen guten Überblick über die Arbeitsdichte für einzelne Teammitglieder.
Idee: Aufgaben und Prozesse eines Projekts oder Teams sind für alle jederzeit sichtbar. Arbeitsstaus, Arbeitsdichte und Schwierigkeiten im Prozess werden so schnell erkennbar. Im (täglichen) Standup-Meeting am Kanban Board erkennt jedes Teammitglied, welche neuen Aufgaben dazu gekommen sind, welchen Abstimmungsbedarf es gibt und wo Unterstützung notwendig ist. Die neuen Aufgaben werden verteilt.
Benötigt wird: Zentrales Kanban Board, PostIts, zumindest anfangs ein Moderator, der die kurzen Meetings zielgerichtet moderiert.
Ablauf:
1. Jedes Teammitglied schildert kurz, welche Aufgaben bei ihm aktuell anstehen, welcher Abstimmungsbedarf dazu besteht und verabredet dazu direkt anschließende Gespräche mit betroffenen Kollegen.
2. Neue Aufgaben werden benannt und an diejenigen Teammitglieder verteilt, welche sich dazu melden. Findet sich niemand für eine Aufgabe bleibt diese zunächst in der Backlog- / Eingangs-Spalte des Boards.
3. Staus oder größere Schwierigkeiten im Arbeitsprozess werden sichtbar und gemeinsam hinterfragt. Die Lösungsfindung findet außerhalb des Meetings zwischen den betroffenen Personen statt.
4. Jedes Teammitglied aktualisiert laufend seine Aufgaben auf dem Board in die passenden Spalten.
Verbesserte Delegation und Übernahme von Verantwortung
Idee: Delegationspoker hilft besonders Teams in denen viel Unklarheit darüber herrscht, wer eigentlich welche Themen entscheiden darf, wobei die Führungskraft mitreden möchte und was im Team besprochen werden sollte. Spielerisch und schnell werden unterschiedliche Erwartungen sichtbar und gelöst. Das Tool kann im Zweiergespräch oder mit dem gesamten Team gespielt werden.
Benötigt werden: Delegations-Poker-Karten
(z.B. https://management30.com/product/delegation-poker/)
Ablauf:
1. Eine zu delegierende Aufgabe wird kurz erklärt.
2. Jeder Anwesende sucht für sich die passende Karte mit dem Delegationsgrad 1-7 heraus und legt diese verdeckt vor sich hin.
3. Alle Karten werden gleichzeitig aufgedeckt.
4. Die Spieler mit der höchsten und der niedrigsten Punktzahl erläutern kurz ihre Wahl, die anderen hören zu.
5. Die Karten werden erneut gelegt unter dem Eindruck des Gesagten ergibt sich ein neues Bild. In der Regel steht dann ein relativ klares Ergebnis im Raum oder es gibt eine zuvor vereinbarte Regel, z.B. „Delegation auf dem zweithöchsten Wert“.
6. Delegierender und Empfänger einigen sich auf einen Grad der Delegation für diese Aufgabe. Sie probieren es aus und bleiben im Kontakt bezüglich der Ergebnisses und der Zufriedenheit.
Sollten Sie auf den Geschmack gekommen sein und mehr zu agilen Instrumenten, agilen Organisationen und „New Work“ erfahren wollen, sprechen Sie mich gerne an!